Führung und mentale Gesundheit in Zeiten von Home-Office

Jun 10, 2020

Führung, mentale Gesundheit und Home-Office – wie hängt das miteinander zusammen? Dieser Artikel entstand anlässlich meines Impuls-Vortrages unter dem o. g. Titel beim Arbeitskreistreffen der Wirtschaftsjunioren Köln, Juni 2020

Vielen Dank für die Einladung zur live-online durchgeführten AK-Sitzung: #WJdigital der Wirtschaftsjunioren Köln durch die Vorständin Katharina Wend!

Unsere Arbeitswelt hat sich durch die Corona-Krise immens verändert. Geradezu von heute auf morgen wurden unzählige Beschäftigte ins Homeoffice geschickt, was vorher für viele Unternehmen undenkbar schien. Das schnelle Handeln hat Flexibilität gezeigt. Welche Konsequenzen haben sich daraus für die Beschäftigten ergeben? Aus meiner Sicht sind es im Wesentlichen vier Aspekte:

    • Chefs, Mitarbeiter und Kollegen sind plötzlich auf Distanz und man sieht sich nicht mehr persönlich.
    • Arbeitsweisen und Führungsarbeit mussten neu überdacht und gestaltet werden. Was geht, was geht nicht bzw. was muss angepasst werden? Was benötigen wir, um weiterhin produktiv arbeiten zu können?
    • Fehlender sozialer Austausch. Sich persönlich und informell auszutauschen, z. B. in der Kaffeeküche, auf dem Flur oder in der Kantine, fiel plötzlich weg.
    • Durch das Arbeiten im Zuhause werden Berufs- und Privatleben auf einmal miteinander vermischt.

In einer Untersuchung der Universität Konstanz wurden 699 Führungskräfte und Teammitglieder befragt. Danach hatten lediglich 15 % der Befragten vor der Coronakrise regelmäßig im Homeoffice gearbeitet, 50 % hatten nur wenig Erfahrung damit. Und für 35 % ist das Arbeiten von Zuhause eine völlig neue Situation. Factsheet: ›› Konstanzer Home Office Studie  

Home-Office und seine Bedeutung für die Führungsarbeit

Nach drei Monaten befinden sich noch immer zahlreiche Mitarbeiter vieler Unternehmen im Homeoffice. Die Erfahrungen und Meinungen dazu sind unterschiedlich. Die einen lieben es und wollen weiterhin von Zuhause arbeiten. Die anderen wollen lieber bald wieder zurück an ihren Arbeitsplatz, weil sie den persönlichen Kontakt und ihre Kollegen vermissen.

Im Führungsalltag ergeben sich bezüglich Home-Office einige Fragen, die für viele noch zu beantworten sind, wie z. B.: Wie sorge ich trotz räumlichen Abstands mit meiner Führung für Klarheit und Orientierung? Wie halte ich den Kontakt zu meinen Mitarbeitern? Was muss ich vorgeben, was lasse ich laufen? Welche Informationen sollte ich auf welchem Wege mitteilen? Wie kann ich das Team zusammenhalten? Welche Vereinbarungen und Tools benötigen wir dazu? Wie kann ich dafür sorgen, dass meine Mitarbeiter motiviert und gesund bleiben – und ich als Führungskraft auch?

Neue Herausforderung für Führungskräfte wie für Mitarbeitende

Viele Führungskräfte haben mit Führen auf Distanz keine bis geringe Erfahrung und wurden somit ins doppelt-kalte Wasser geworfen. Zudem ist man abhängig von technischen Hilfsmitteln und digitalen Tools geworden, mit denen sich nicht unbedingt jeder wirklich auskennt oder gar wohl fühlt. Führungskräfte hatten und haben noch mit der Gewöhnung an die neue Situation und neuen Anforderungen zu kämpfen. Probleme, Sorgen, Unsicherheiten, Stress gibt es aber auf beiden Seiten. Denn auch Mitarbeitende mussten sich zunächst eingewöhnen und mit vielen Veränderungen zurecht kommen, beruflich wie privat.

Die vertrauten und sicherheitsgebenden Aspekte des Büroalltags, wie kollegiale Hilfe oder der informelle Austausch, sind im Homeoffice nicht gegeben und nur schwer zu ersetzen. Dennoch zeigen erste Studien, dass viele Beschäftigten, die durch Corona ins Homeoffice verbannt wurden, gerne dort ganz bleiben würden oder zumindest teilweise.

Keine räumliche Trennung mehr von Arbeit und Freizeit

Bietet das Arbeiten im Home-Office oder Remote-Work nun mehr Flexibilität und Freiheit - oder entsteht dadurch eher Stress aufgrund der Entgrenzung zwischen Privat- und Berufsleben? Dies hängt u. a. ganz entscheidend von der Lebenssituation des Einzelnen ab. Zuhause zu arbeiten kann für jeden Vor- und Nachteile haben. Manche leiden - besonders in der Corona-Zeit - unter Einsamkeit und sozialer Isolation, andere sind ständig durch ihre Familien-Angehörigen beansprucht. Befürworter von Home-Office und Remote-Work genießen es, ihre Arbeit zeitlich und örtlich flexibler gestalten zu können. So mancher Beschäftigte sieht die Vorteile von Zuhause aus arbeiten zu können darin, mehr Zeit für seine Kinder zu haben - um nur einige Beispiele zu nennen. Hier ist individuelle Führungsarbeit gefordert.

Welche Aspekte sorgen für Zufriedenheit im Home-Office?

Das Fraunhofer-Institut hat eine Befragung von Beschäftigten ab dem 01.04.2020 gestartet, um zu erfahren, wie sie diese Veränderung erleben (›› Fraunhofer-Umfrage »Homeoffice«: Erste Ergebnisse - Presseinformation). Die ersten Auswertungen ergaben, dass über 80 % der Befragten im Homeoffice zufrieden sind, obwohl ihnen der soziale und professionelle Austausch fehlt. Die Unterstützung und Verbundenheit im Team wird als eher schlecht bewertet. Für die Zufriedenheit im Homeoffice scheint es wichtig zu sein, dass tägliche Routinen aufrecht erhalten werden, auf beruflicher wie privater Ebene. Homeoffice funktioniert demnach gut, wenn - neben guter technischer Ausstattung und geeigneten Räumlichkeiten - regelmäßige Team-Meetings stattfinden und auf eine klare Trennung zwischen Arbeits- und Privatleben geachtet wird.

Kritisch bewertet wird, wenn zu viele verschiedene technische Medien eingesetzt werden, die die Kommunikation untereinander verkompliziert. Des Weiteren wird festgestellt, dass virtuelle Tools das menschliche Miteinander nicht ersetzen können. Die fehlende physische Nähe der Kollegen beeinträchtigt die Arbeit Zuhause. Zudem wird insgesamt im Homeoffice deutlich weniger miteinander kommuniziert.

Führung im Home-Office - ein Balance-Akt zwischen Kontrolle und Vertrauen

In Unternehmen mit traditionellen Strukturen waren Führungskräfte anfangs wenig begeistert, ihre Mitarbeitenden ins Homeoffice ziehen zu lassen. Oft fehlt es an Vertrauen, dass das gut funktioniert. Es herrscht hier die Meinung vor, dass Angestellte im Homeoffice nicht wirklich effizient und produktiv arbeiten. Demzufolge wollen Vorgesetzte gerne mehr kontrollieren und lösen dadurch Druck aus. Diesen erleben sie z. T. selbst als Führungskraft und geben ihn 1:1 weiter. Nur, Druck und Kontrolle sind auf Dauer keine wirklich erfolgreichen Führungstechniken, auf Distanz schon gar nicht.

In der Praxis sieht es laut verschiedener Studien-Ergebnisse so aus, dass das Arbeiten im Homeoffice sogar produktiver ist. Die Mitarbeitenden sind nach eigener Aussage engagierter und freuen sich, die Zeit für den Arbeitsweg jetzt sinnvoller nutzen zu können. Für Unternehmen und Führungskräfte ist das zwar erfreulich, es birgt gleichzeitig aber auch Risiken: Geregelte Arbeitszeiten werden nicht immer eingehalten, Pausenzeiten werden ausgelassen, Ernährung und Bewegung leiden oft im Home-Office. Vorgesetzte sollten daher im Blick halten, dass ihre Teams auf ihre Gesundheit achten.

Gesundheitsförderndes Führen im Homeoffice – so gelingt es

Damit Teams motiviert und leistungsbereit bleiben, gibt es einiges, was Manager tun können. Laut Untersuchung der Universität Konstanz wollen etwa 75 %, dass ihre Führungskraft Struktur und Ziele vorgibt, aber nur 49 % bestätigen, dass das auch geschieht. Schon am Ende des ersten Lockdown-Monats wünscht sich ein Viertel der Beschäftigten im Homeoffice mehr Struktur, ein Fünftel mehr Ansprache. Ähnlich verhält es sich mit dem Thema Fürsorge: 78 % erwarten, dass ihr Vorgesetzter auch im Homeoffice individuell auf sie eingeht, aber nur bei 57 % ist das der Fall.

Kommunikation, Transparenz und Struktur müssen jetzt also groß geschrieben werden. Vertrauen schenken, Empathie zeigen und Fürsorge üben sind weitere wichtige Verhaltensweisen einer aufmerksamen Führungskraft. Übrigens: Dies gilt nicht nur beim Führen auf Distanz. Das Verhalten der Führungskräfte wird jedoch besonders aus der Entfernung sensibler wahrgenommen und umgekehrt haben Führungskräfte aus dem bzw. ins Homeoffice mehr "Antennen" auszufahren, wenn sie die Stimmungen im Team mitbekommen wollen. Hier mehr Augenmerk darauf zu legen, unterstützt langfristig ein produktives und gesundes Arbeiten von Zuhause. Wenn sich Führungskräfte mehr Zeit für Einzelgespräche nehmen und klare Ziele setzen, hat man zudem festgestellt, dass das Engagement um ein Vielfaches höher ist. 

Transparenz und Information sind demnach unerlässlich zur Erhaltung eines gesunden Arbeitsklimas. Bewährt haben sich regelmäßige „Wasserstandsmeldungen“ aus dem Unternehmen. Regelmäßige Telefonate – oder besser Videocalls – vermitteln zudem Struktur und Sicherheit. In solch unsicheren Zeiten sorgt das für ein Gefühl von Stabilität. Das heißt auch: Feste und regelmäßige Termine wie Daily Standups oder andere Teammeetings, die auch im Büro regelmäßig durchgeführt wurden, sollten weiterhin stattfinden. Aber bitte nur im Rahmen der betriebsüblichen Arbeitszeit. Das hilft innerfamiliären Konflikten vorzubeugen.

Die wesentlichen Erfahrungswerte für Führungskräfte sind also: Homeoffice braucht klare Regeln und einen kontinuierlichen, direkten Austausch mit den Beschäftigten. Wichtig ist, dass Chefs auch die menschliche bzw. private Situation ihrer Mitarbeitenden berücksichtigen und ein offenes Ohr für sie haben, d. h. sie nicht nur zu fachlichen bzw. betrieblichen Themen ansprechen. Es sollte die Gelegenheit genutzt werden, mit dem Team auch mal Erfolge zu feiern und gemeinsam zu schauen, was in dieser herausfordernden Zeit alles geschafft worde ist. Daraus kann ein kräftespendendes Ritual entstehen, dass den Zusammenhalt nachhaltig fördert.

Zu berücksichtigen ist bei den Studien sicherlich, dass sie in der Anfangsphase der Corona-Krisenzeit durchgeführt wurden, wo die Situation für alle noch neu war. Aber daraus lässt sich für die Zukunft lernen.

Stress vorbeugen

Folgende Verhaltensweisen helfen Ihnen, im Führungsalltag Stress vorzubeugen: Wo es nötig und möglich ist, grenzen Sie sich ab und konzentrieren Sie sich auf Ihre Aufgaben und Ziele. Geben Sie Verantwortung ab und beteiligen Sie Ihre Mitarbeitenden, indem Sie die Arbeit klar und eindeutig delegieren. Werden Beschäftigte an Entwicklungsschritten beteiligt, tragen sie diese auch eher mit. Seien Sie offen für Ideen, Verbesserungsvorschläge und Kritik aus dem Team. Toleranz zu üben und auch mal Fehler zuzulassen, kann erleichtern und macht einen menschlich. Sorgen Sie für sich selbst und achten Sie auf Ihre eigene Gesundheit und innere Balance, dann können Sie auch für Ihr Team voll und ganz da sein.

Bedenken Sie auch, dass Sie eine Vorbild-Funktion für Ihre Beschäftigten haben. Ihr Verhalten und Ihre Arbeitsweise hat immer Auswirkungen auf das Verhalten Ihres Teams. Zum Beispiel neigen manche Beschäftigte zur „interessierten Selbstgefährdung“, indem sie sich zu viel aufladen und sich zu sehr belasten, weil Führungskräfte dies vorleben. Wenn Sie rund um die Uhr Nachrichten und Arbeitsaufträge versenden, veranlassen Sie Beschäftigte eventuell zu einem ähnlichen Verhalten.

Auszeit nehmen und Stress individuell abbauen

Um einem potenziellen Home-Office-Koller vorzubeugen und sich prophylaktisch fit zu halten, ist die Beachtung unserer Grundbedürfnisse als Basis für die Erhaltung der Gesundheit die beste Empfehlung: Nehmen Sie sich regelmäßig Zeit für sich, atmen Sie ab und an tief durch und nehmen Sie sich und Ihren Körper wahr. Fragen Sie sich, wie es Ihnen gerade geht und tun Sie sich etwas Gutes, das kann schon eine kleine Ruhepause mit einem leckeren Getränk sein. Wenn Sie sich gerade gestresst fühlen, hilft es, etwas ganz anderes zu tun, um sich auf neue Gedanken zu bringen und das Gehirn aus der Stressschleife zu bringen. Bewegung an der frischen Luft, ausgewogene Ernährung und ausreichend Schlaf, soziale Kontaktpflege und auch mal mit anderen Lachen, sind wertvolle Ressourcenstärker und Energielieferanten. Erinnern Sie sich immer wieder an Ihre persönlichen Stärken, würdigen Sie das, was gut gelaufen ist und schenken Sie sich selbst dafür ein Lob. Planen Sie im Laufe des Tages kleine Auszeiten zum Auftanken ein, Ihre Mitarbeitenden werden die positive Energie spüren.

Förderung mentaler Gesundheit

Um sich mental gegen Stress noch besser zu stärken und auch in schwierigen Zeiten für Herausforderungen gut gewappnet zu sein, sind die Entwicklung der individuellen Stressbewältigungskompetenzen und die Förderung von Resilienz zwei wichtige Eckpfeiler. Dazu finden Sie Beispiele von Seminarthemen unter ›› Trainings/Seminare. Gerne unterstütze ich Sie und Ihr Team auch als Beraterin und Coach zum Thema gesundes Arbeiten im Home-Office. Bei Interesse sprechen Sie mich einfach an. ›› Kontakt

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